33 Jahre ohne Strassenbahn, 33 Jahre Schienenersatzverkehr Die letzten Jahre der Strassenbahn Fotoatlas Warum Stadtbahn Was seitdem geschah

L
i
n
k
s
L
i
n
k
s

Das "verschwundene" Stadtbahnvideo
 /  zu 
L
i
n
k
s

Es war allzeit eine gute Fahrt.
Im rüstigen fünfundachzigsten Lebensjahr, trotz bester Gesundheit,
beklagen wir den von Hamburg gewollten Tod unserer lieben Strassenbahn.

In Trauer und Empörung, Bürgerverein Hamburg Mitte

Die Strassenbahn ist tot, es lebe die Strassenbahn.

Hamburg, 1.Oktober 1978

Ein Aufruf: Liebe Hamburger... (pdf)
 
Hier finden
Sie pdf's zum
Ausdrucken.
Was ist neu?

29.12.2012

Nach dem Einfügen des Adventskalenders und ein wenig Herumspielen zu dessen Verlängerung heute, stelle ich fest, daß ich 'was tauschen muß.

Ich hoffe, daß es 2013 endlich mal mit der Strassen-/Stadtbahn vorwärts geht.
(Gut, auch mit dieser Webseite.)
Wer macht mit???

17.12.2012

Ich habe unter der Fotoatlas-Netzkarte und dem "Tramshop-Streifen" eine Reihe von Museumsfahrten zusammengesammelt. Am eindrucksvollsten finde ich die Testfahrt eines V6E im Strassenbahnmuseum Skjoldenæsholm, Dänemark.

Es geht mit der Webseite langsam vorwärts.
Tut mir leid.

7.11.2012

Das es jetzt auch 34jahreohnestrassenbahn.de gibt werdet ihr mitbekommen haben. Jetzt habe ich die Links entfernt, die ich nicht mehr weiter verfolgen werde und aktuelle Bilder zur Wendeanlage Ohlsdorf in den Fotoatlas eingefügt.

23.2.2012

So, Ihr könnt Euch jetzt durch die
letzten Jahre der Strassenbahn durchklicken.
Ich habe Bumblebees Pläne so aufgebastelt, daß sie (fast) deckungsgleich aufeinander liegen. Ihr findet auch einen Link, zu einem "ClickPlan" ohne das Drumherum. Viel Spass.

22.2.2012

Es geht immer noch weiter mit dem Fotoatlas.
Klickt mal auf den Plan in der Mitte.
Schonmal nicht schlecht, oder?

20.2.2012

Am Fotoatlas fehlte ja noch eine Abteilung für die älteren Bilder, von denen es ja auch welche gibt.
Sie ist aber noch in Arbeit und nicht fertig.

13.2.2012

Raster vergrößert und viele neue Bilder eingestellt. Aber auch viel Leerraum erzeugt. Muß noch überlegen, ob und wie ich ihn entgültig fülle.

7.2.2012

Eine Programmänderung "hinter dem Blech" des Fotoatlasses mit einer Trennung des Links zum Bild und dem Link zur Webseite, die das Bild enthält.

27.1.2012

Beim Aufräumen habe ich noch ein paar Stadtbahn-Slogans gefunden, die ich mal zur Propaganda gemacht habe. Die Zettel liegen jetzt nur noch 'rum. Aber bevor sie verschwinden halte ich sie erstmal hier fest. Recycling nicht ausgeschlossen.

13. und 15.1.2012

Das Video ist wieder aufgetaucht. Allerdings nicht als Werbung für die Stadtbahn, sondern für die Herstellerfirma. Egal, weil nicht schlecht. Ausserdem habe ich noch eine Menge Bilder neu eingestellt. Und Werbung gibt es auch (z.B. ganz unten). Aber nur, weil die verlinkten Seiten Kommerziell sind.

2.12.2011

Wie ich gerade festgestellt habe, wurde das schöne, eben eingestellte Video wieder "vom Nutzer Entfernt". Also: "<td border=dick color=schwarz>"!

27.11.2011

So hätte sie ausgesehen.
Bei YouTube hat jemand ein
Hochbahn-Video entdeckt.
Natürlich baue ich das in meinen Fotoatlas mit ein.

15.11.2011

Ich weiß: Lange nicht mehr dagewesen. Sorry.
Zum Wiedereinstieg Fotoatlas überarbeitet.

21.10.2011

Der letzte Artikel aus "Eine Fahrt durch sechs Jahrzehnte" ist 'drin. Den Rest mußt Ihr Euch jetzt selber beschaffen und lesen!

21.10.2011

Zwei Straßenbahnen erzählen. Schonmal vorab. Einen Artikel will ich noch abschreiben. Wem das Buch über den Weg läuft: Lesen!

Der IE muß noch warten!

20.10.2011

Firefox und Chrome ok, Internet Explorer mit den Balken noch nicht. Jetzt sind noch Dateiteile weg! Nochmal schreiben.Mehr hier..

19.10.2011

Ich habe heute Nacht festgestellt: Firefox und IE zicken mit den O-Bussen, IE auch mit den Menuebalken. Sorry. Ich mach' mich d'ran.

18.10.2011

Ein paar schicke Menuebalken

Mitfahrt in einer Stadtbahn (Freiburg)

16.10.2011

Ein Tagebuch-Eintrag

Alle Super8-File aus MyVideo eingebunden.

Und der U-Bahn-Bau war auch nicht mal eben so...

14.10.2011

Vergleich von Bus- nach Strassenbahnlinien fertig

Sidekicks O-Bus Harburg und (oben) Kleinbahn Wohldorf

12.10.2011

Dreiteiliger TV-Bericht
zum Ende der Linie 2

11.10.2011

Vergleich Strassenbahn-/Metrobuslinien

Wichtige Fragen aus der Stadtbahn-Diskussion

6.10.2011

"Schienen sind ein Versprechen"

"Elektrisch geht's besser"

Aufkleber die ich mal gemacht habe.

29.9./1.10.2011

Warum ich die modernen Busse nicht mag und was mich mit der alten Strassenbahn verbindet.


 

Eine persönliche Seite zu einem traurigen Jubiläum.

Eine aus der Halterung gesprungene Translor (Busleitschiene). Man muß der traurigen Wahrheit in's Gesicht sehen: Politisch ist die Stadtbahn in Hamburg vom Tisch.

Der in dieserm Jahr mit absoluter Mehrheit gewählte Erste Bürgermeister, Herr Scholz, hat diesem Projekt eine klare Absage erteilt (Regierungserklärung vom 23.März 2011, Seite 18 oben), allerdings ohne sich genaue Vorstellungen über dieAlternativen gemacht zu haben. Das "modernste Bussystem Europas" ist genauso blumig (Die meißen Busnetze in Deutschland und Europa haben inzwischen Strassenbahnnetze im Rücken.) wie die elektronische Spurführung unausgegoren. (Gibt es dafür irgendwo ein funktionierendes Vorbild? Selbst die mechanischen geführten Busse haben immernoch ihre Schwierigkeiten, wie das Bild rechts zeigt.)

Aber das soll nicht das eigentliche Thema dieser Webseite sein. Sicherlich möchte ich damit meinen stillen Protest gegen die Spielball-Taktik ausdrücken, unter der die Strassen-/Stadtbahn immer wieder zu leiden hat, indem ich die Entwicklung (und ihre Schwächen) aus der Sicht der alten Strassenbahn her betrachte.

Die Frage ist nicht: Können wir uns die Stadtbahn leisten? Dann bauen wir sie;
Sondern: Ist die Stadtbahn gut für Hamburg, wie können wir sie dann finanzieren?

Eine Stadtbahn wird den Verkehr in Hamburg nachhaltig verbessern! Davon die Bürger der Stadt zu überzeugen und damit die politischen Mehrheiten zu gewinnen wird das Ziel dieser Legislaturperiode sein.

Wie ist die Seite aufgebaut?

  1. Hinter der gelben Fläche oben links möchte ich nochmal die letzten Jahre der Strassenbahn darstellen und zeigen, dass es auch durchaus anders hätte laufen können.
  2. Hinter dem Bild oben rechts versteckt sich eine kleine Bildergalerie, die verschiedene Fotos verschiedener Webseiten zusammenfasst.
  3. Unter schwarz unten links sollen natürlich auch die Vorteile einer modernen Stadtbahn gewürdigt und auch der Unterschied zum Bus dargestellt werden.
  4. Die Fläche unten rechts verweist auf die Zeit nach 1978 und soll zeigen, dass die Verkehrsgeschichte Hamburgs seitdem keinen großen Fortschritt genommen hat.

Falls Sie sich fragen, wie es zu dem "komischen" Design gekommen ist, drucken und schneiden Sie das Logo oben aus,falten es an der Längs- (der langen) Achse und hängen es an einem Faden auf. Die Idee dahinter ist, dass der Wind das Blatt so dreht, dass die gelben Flächen an das typische "blinken" einer Strassenbahn erinnern.

Und wenn das Logo rechts über Ihren Bildschirm hinausragt, dann deshalb, weil ich noch nicht gefunden habe die dahinterliegende "map" (Karte) mit den weiterführenden Links auch (mit der Grafik) an die Monitorgröße anzupassen. Ausserdem ist das auch die Größe zum Ausdrucken für den Taschenanhänger (Die aber ansonsten keine Bedeutung hat).

Viel Spass beim Lesen und Durchklicken wünscht Ihnen.

Thomas Müller
(thmueller@thmueller.net
post@33jahreohnestrassenbahn.de)


Schienen sind ein Versprechen
Vorwort von Jan Gympel

  Nach oben

Haben Sie schon mal einen Busfanatiker getroffen? Haben Sie jemals Massen Verzückter erlebt, die sich um den besten Platz zum Photografieren alter Omnibusse balgten? Menschen, die Aufnahmen von Busmotorgeräuschen lauschen und alte Busutensilien Hüten wie kostbare Reliquien?

Warum war für mich als Kind die U-Bahn von größter Faszination - im West-Berlin der siebziger Jahre, wo die Straßenbahn nicht mehr existierte, die Eisenbahn eine überaus triste Randexistenz fristete und die S-Bahn so äh-baba war, daß ein anständiger Mensch nicht einmal daran dachte? Warum spielte ich - da Lokführer angesichts der lokalen Verhältnisse allzuviel Phantasie erfordert hätte - mit anderen Kindern Zugabfertiger, aber niemals Busfahrer, wo die BVG doch ein so großes Busnetz unterhielt?

Die Antwort auf all diese Fragen ist so einfach wie niederschmetternd: Der Omnibus ich die reizloseste Form öffentlichen Nahverkehrs. Deshalb gibt es, wenn eine Linie gestrichen oder umgeleitet wird, bestenfalls Beschwerden von Anwohnern, denen damit günstige (Direkt-) Verbindungen genommen werden.

Aber noch nie ist es zu vergleichbar überbordenden Sentimitalitäten gekommen wie jenen, mit denen die West-Berliner Linie für Linie die Schlachtung ihrer Straßenbahn begleiteten (ohne freilich auf der politischen Ebene irgendetwas dagegen zu unternehmen, so mächtig war der damalige Zeitgeist). Und wen schert schon, wann welches Busmodell seinen letzten Einsatztag erlebt? Natürlich gibt es Verkehrsfans, die sich auch dieses Transoportmittels annehmen, alte Wagen pflegen, rekonstruieren und vorführen, und ihre Arbeit ist so lobenswert und wichtig wie die ihrer Kollegen, die sich mit historischen Straßenbahnen beffassen. Doch über das Verschwinden eines Bustyps aus dem Berliner Stadtbild berichtet niemand, keine Horden von Hobbyphotographen fallen über die Wagen her wie zuletzt wieder beim Abschied von den "Reko"-Straßenbahnen und den "Stadtbahn"-Wagen der S-Bahn geschehen. Ebensowenig ist vorstellbar, daß die Aufrechterhaltung des Busnetzes von der Öffentlichkeit mit solch Argusaugen verfolgt werden würde wie im Falle der Straßenbahn, die andernfalls von der Großen Senatskoalition wahrscheinlich schon mit schönen Ausreden teilweise beseitigt worden wäre

Warum sollte man sich für Busse auch so einsetzen? Eine Linie einzurichten erfordert für gewöhnlich nur ein paar Haltestellen zu installieren, eventuell noch einige Bäume zu beschneiden - das war's. Noch simpler ist der Unterhalt. Genau dieses Billige haftet dem Busverkehr aber auch an. Er hat keiner besonderen Mühe, keines besonderen Engagements bedurft - und kann so schnell verändert werden und sogar wieder verschwinden wie er eingerichtet wurde. Selbst den Fahrzeugen läßt sich kein besonderer Reiz abgewinnen.(wenn man einmal von den Doppeldeckern absieht, die aber - als wollte man dies Verkehrsmittel aller Attraktivität berauben - in Zukunft nur noch ein Drittel des Wagenparks ausmachen sollen). Da kann die Technil noch so ausgeklügelt sein, da können die Designer noch so redliche Arbeit leisten oder die abstrusesten Kapriolen schlagen - unterschwellig scheint doch immer durch, daß der Bus letztlich geblieben ist, was schon seine Urahnen waren: Auf die Torwagen - Pritschengefährte mit ein paar Bänken drauf - begab sich, wer sich kein eigenes Pferd, keinen eigenen Wagen leisten konnte. Bus fährt vornämlich, wer sich kein eigenes Auto leisten kann.

Aber wer leistet sich schon eine eigene Bahn? Bereits insofern ist die Strassenbahn etwas besonderes: Kein dürftiger, oft auch noch wenig gepflegter Ersatz in erzwungener Kollektivität, mit dem man über die gleichen Strassen holpert, im gleichen Stau steht, wie jene, die dies immerhin in ihrem persönlichen, individuellen Gefährt tun können. Die moderne Strassenbahn gleitet an ihnen vorbei, geruchlos, leise, in gleichmäßiger, ruhiger Fahrt. Sie stoßt in Bereiche vor, die anderen Vehikeln verwehrt sind, fährt durch Fußgängerzonen, nimmt auf einigen Trassen Abkürzungen durch Wälder und freies Gelände. Wenngleich an Schienen gebunden, vermittelt die Strassenbahn mit all dem ein größeres Gefühl von Freiheit und, obwohl ebenfalls "omnibus" ("für alle"), von Exklusivität.

Hierzu kommt, daß die Strassenbahn durch diese Schienen - anders als der Bus und erst recht die U-Bahn - immer präsent ist, auch wenn gerade kein Zug fährt. Schienen sind stets ein Versprechen: Auf die Ferne, in die sie führen, auf die Bahn, die kommen und einen in diese mitnehmen wird; es gibt deshalb nichts deprimierenderes als Gleise, von denen man weiß, daß auf ihnen

nie wieder ein Zug verkehren wird.Nicht zuletzt zeugen die Schienen von Engagement und Überlegung. Die Strassenbahnstrecke besitzt einen ganz simpelen ökonomischen Investitionswert, den eine Busroute logischerweise nicht haben kann. Wer bei Verstand ist, überlege sich zweimal, ob er dies einfach aufgeben kann. Und jede Neubaustrecke ist schließlich, nach dem weltweiten Ausrottungsfeldzug gegen die Strassenbahn und zumal, wenn sie dem Autoverkehr wieder Raum entzieht, auch ein Zeichen der Besinnung, von gewonnener Einsicht und wahrhaftem Fortschritt.

Dieses Buch zeigt, was wir - auch und gerade Stadtästhetisch - durch die Beseitigung der Strassenbahn verloren haben und wie wir es zurückgewinnen können. Es tut dies erfreulich detailliert, um endlich all den Bremsern, Bedenkenträgern und unverholenen Strassenbahnfeinden die Argumente zu nehmen. Würde Berlin nicht seit zehn Jahren von einer trost- wie einfallslosen Großen Koatition regiert, wären all die schönen Reden von "Innovation", "Nachhaltigkeit" und "zukunftsweisender Stadtentwicklung" nicht nur leeres Geschwätz - dann wäre dieses Buch überflüssig und der Ausbau des Tramnetzes längst ernsthaft in Angriff genommen worden. Dann hätte Berlin international für Furore gesorgt als Metropole, die massiv die Fehler der Vergangenheit korrigiert und die Strassenbahn wieder aufbaut - statt für viel Geld noch eine U-Bahn-Strecke in die Erde zu buddeln, deren mangelnde Auslastung schon jetzt abzusehen ist. Natürlich waren die Rückkehr der Tram in den einstigen Westteil der Stadt sowie auf dem Alexanderplatz wichtige Zeichen - doch als fast die einzigen Neubaustrecken in zehn Jahren sind sie ein dürftiges Ergebnis. Wenn Berlin wirklich ein "Verkehrskompetenzzentrum", eine Stadt mit Vorbildcharakter werde will, müssen diesen zwei Trassen viele weitere folgen, auch und gerade westlich der früheren Sektorengrenze - als ständig SICHTBARE Zeichen einer neuen, fortschrittlichen Verkehrspolitik. Einer Verkehrspolitik, die eben auch begriffen hätte, daß der Bus als Hauptkonkurrent und einstmals gepriesener "Ersatz" für die Strassenbahn nicht nur weniger wirtschaftlich ist, sondern auch denkbar profan und als Objekt für Träume gänzlich ungeeignet. Derweil bei der Strassenbahn viele Dinge mitschwingen, die ihr einen besonderen Reiz verleihen und die es zu den erheblichen ökonimischen Vorteilen kostenlos dazu gibt.

Aus "Straßenbahn für ganz Berlin" (C) 2000 Jaron Verlag GmbH, Berlin


Elektrisch geht's besser

  Nach oben
Natürlich gab es auch Proteste. In erster Linie ging es dabei um die Oberleitungen und Masten, die - wie es hieß - das Stadtbild verschandeln. Ferner erhoben warnender Stimmen ihre Bedenken gegen das rasende Ungeheuer, daß mit einer noch nicht gekannten Geschwindigkeit durch die Strassen Hamburgs fahren sollte. Bisher galt als Höchstgeschwindigkeit der Trab der Pferde. Ein Ungetüm, daß 20 bis 30 Stundenkilometer rasen sollte, konnte doch nur Unglück in Massen erzeigen! [...] Einen ganzen Sommer lang konnte man das neue Verkehrsmittel studieren. Hamburg war begeistert. Die elektrische Straßenbahn setzte sich in ungeahnter Geschwindingkeit durch. Es hagelte jetzt Proteste aus den noch nicht angeschlossenen Stadtteilen. Und so begann man nach einem bestimmten Plan, nach und nach fast alle Pferdebahnlinien auf elektrischen Betrieb umzustellen. Bis zum 1. November 1896, also in dem erstaunlich kurzen Zeitraum von nur 2 1/2 Jahren, hatte es die Strassen-Eisenbahn-Gesellschaft geschafft.

Aus "Strassenbahn adieu; Ein Stück Hamburg verabschiedet sich", Erich Staisch, Hoffmann & Campe, 1978.


Der Bau der Hamburger U-Bahn

  Nach oben

Den Auftrag zu dem gewaltigen Projekt des Baus der Hochbahn erhielten 1906 die Siemens & Halske A.-G. und die Allgemeinde Elektrizitätsgesellschaft zur festen Bausumme von 41,5 Millionen Mark, zu denen noch 800.000 Mark für nachträgliche Erweiterungen kamen. Darin waren nicht eingeschlossen Kosten für die Umlegungen von Leitungen, Umpflasterungen beim Tunnelbau oder für den Grunderwerb, die sämtlich die Stadt übernahm.[...]

Jahrelang behinderten die Baustellen den Verkehr, der über Behelfsbrücken umgeleitet werden mußte, erschütterten Rammschläge für die Eisenpfähle Häuser und Bewohner, verdreckten die Erdmassen die Strassen.

Dafür fand der "Hamburger Correspondent" ein eher poetisches Bild.
"In gewaltiger Anspannung legt sich der gleißende Leib der Hochbahnschienen über Hamburgs Strassen und Wasser, drängt sich hinunter mit wühlenden Kräften in der Erde Dunkelheit, ausgestreckt zu fossiler Größe wie ein Nachkomme der Midgardschlange. [...]

Unvorhergesehene Bodenverhältnisse, Änderungen der Trassenführung noch beim Bau und Schwierigkeiten mit dem Grunderwerb für die Strecke verhinderten, dass die Ringstrecke nach den vorgesehenen fünf Jahrentatsächlich fertig war. Im August 1911 waren einzelne Stationsgebäude noch unvollendet und es fehlten weite Abschnitte der Ringstrecke. Dazu beigetragen hatte auch, dass die Bauarbeiter die allgemein gute Baukonjunktur in Hamburg für ihre Forderungen nutzten: An 300 Tagen ruhte die Arbeit auf den U-Bahn-Baustellen.

Mit 8 Monaten Verzögerung konnte deshalb am 15. Februar 1912 nur das Teilstück der U-Bahn zwischen Rathaus und Barmbek feierlich eingeweiht werden. im Juni 1912 war dann aber der Ring vollständig zu befahren.

Aus "[U]nterwegs, 90 Jahre Hamburger U-Bahn", Christians 2002.

Man sieht auch hier: Der Bau der U-Bahn ging nicht "wie geschnitten Brot" über die Bühne. Viele der hier aufgeführten Schwierigkeiten erinnern doch sehr stark auch an aktuelle Projekte. Nur wir haben jetzt eine U-Bahn und denken nicht mehr an diese Hindernisse und "Entbehrungen", die damals von der Hamburger Bevölkerung abverlangt worden waren. Für uns ist die U-Bahn heute selbstverständlich. Nur hätten wir sie auch mit den Leuten von heute?


Zwei Strassenbahnen erzählen

  Nach oben

Entnommen aus: Eine Fahrt durch sechs Jahrzehnte mit der elektrischen Straßenbahn. Hamburger Hochbahn AG, Hamburg, 1954 Drei Strassenbahnwagen

Mir ist klar, Gegenstände sprechen zu lassen ist so eine Sache. Und die Ansichten, die im letzten Beitrag geäußert werden, sind in der Zwischenzeit überholt. Ich schreibe alles das trotzdem hinein, weil sich einige Parallelen zur heutigen Diskussion ziehen lassen und der Rest einfach aus historischem Blickwinkel interessant ist. Und manche Dinge lassen sich am einfachsten von dem jenigen darstellen, um den es eingentlich, auch heute noch, geht. Die Strassenbahn ureigenst und selber kommt mir nämlich zwischen all dem Parteiengeplänkel und Finanzierungsvorbehalten einfach zu kurz.

Auf alle Fälle können diese Abschnitte ein Ansporn sein sich das Buch einmal anzusehen und sich vielleicht zu beschaffen. Es ist nämlich sehr interessant zu lesen. Viel Spaß dabei.


Lebenslauf des Strassenbahnwagens Nr.2228

  Nach oben
Strassenbahnwagen 2228, Baujahr 1895, Farbe Rot

Ja, hier bin ich. Sicher haben Sie mich schon irgendwann einmal gesehen. Auf dem Rathausmarkt, mitten zwischen den vielen Großraumwagen, die es immer so schrecklich eilig haben und so arrogant mit mit den Türen klappern. Gerade so als ob... Na, lassen wir das. Man wird im Alter manchmal ein bisschen ungerecht, weil es in den Gliedern reißt und man nicht mehr so kann, wie man eigentlich möchte.

Finden Sie, daß der Künstler bei meinem Bild sehr geschmeichelt hat? Ich habe natürlich versucht, mich von meiner besten Seite zu zeigen. Ähnlich ist es auf jeden Fall geworden.

Aber da rede und rede ich von all den Dingen, die ich so im Laufe der Jahre von meinen Fahrgästen aufgeschnappt habe, und vergesse ganz, daß Sie meine Lebensgeschichte hören wollen. Waggonfabrik Falkenried in den (18-) neunziger JahrenAlso: Ich wurde am ersten Donnerstag im November des Jahres 1895 in Falkenried - ja, wie sage ich da? -"in Dienst gestellt" heißt es in der Strassenbahnsprache. Sie sagen ja wohl "geboren", wenn ich mich recht erinnere. Ich sei ein Typ, sagte man mir, als ich losfuhr. Ein Typ N6, und daraus entnehme ich, daß ich schon damals einen charakteristischen Zug um den Führerstand herum gehabt haben muß. Natürlich konnte ich gleich laufen. Ganz ohne Pferde. Sie können sich denken, meine Herrschaften, wie stolz ich darauf war. Naja, man hatte auch nicht bei mir gespart. 22.000 Mark soll ich gekostet haben, erzählte mir später ein Schaffner. Nein, wenn ich so zurückdenke, weiß ich jetzt erst richtig, wie hübsch ich damals gewesen sein muß. Messing und Kupfer, die Flanken grün und an der Plattform die Zahl 841. Aber Zahlen ändern sich schnell. Das habe ich im Laufe meines Lebens gelernt. Mir war auch damals wichtiger, daß manmich so schlicht und vornehm ließ, wie ich von Falkenried herausfuhr: ein detzentes Dachzeichen und zwei bunte Laternen an jeder Stirnseite. Das war das einzige... Vorsicht mein Herr! Vorsicht! Da haben wir's wieder mal. Was steht in den Beförderungsbedingungen? Das Aufspringen während der Fahrt ... immer dasselbe!

Also, was ich noch sagen wollte: die Laternen waren mein einziger Schmuck, als ich auf der Linie Eilbek - Othmarschen fuhr. Zuerst hatte ich noch etwas Lampenfieber. So einfach war das nciht, sich an den Betrieb in der Innenstadt zu gewöhnen. Außer mir fuhren noch 83 Kollegen in jeder Stunde über den Großen Burstah in jeder Richtung. Ich habe sie mal gezählt, weil man ja als Strassenbahnwagen immer auf dem laufenden sein muß.

Schaffner im Regen

Im Winter frohr ich sehr. Mein Schaffner übrigens auch. Und deshalb habe ich dafür gesorgt, daß ich eine elektrische Heizung eingebaut bekam. Aber er hat nie erfahren, daß ich mich bei der Direktion für ihn stark gemacht habe. Es ist eben unser Schicksal, stillzuhalten und zu schweigen. Man fährt besser so. Also, das mit der Heizung war Anno 09. Ich erinnere mach genau daran. Seit gut einem Jahr hieß ich damals übrigens schon Nummer 1443, aber das war mir ziemlich gleichgültig. Ich wußte, daß ich jung und ansehnlich war und kümmerte mich nicht um solche Kleinigkeiten.

Mein 17. Geburtstag fiel wieder auf einen Donnerstag. Sonst achte ich ja nicht so genau darauf, weil sich an diesen Festtagen nie jemand besonders um mich bemüht hat. Menschen sind eben vergesslicher als Strassenbahnen. Diesen 17. Geburtstag habe ich aber behalten. Jemand gab meinem Schaffner ein schönes Trinkgeld, und ich war so richtig mit mir und der Welt zufrieden.

Rathausmarkt

Ein paar Tage später erlebte ich dann etwas sehr komisches. Ich weiß garnicht, wie ich Ihnen das erklären soll. Merkwürdig war mir zumute, und deshalb ist es dann ja auch passiert. Doch der Reihe nach. Ich bog gerade als Linie 21 vom Adolfsplatz her in den neu eingeweihten Mönckedamm ein, als dem Mönckedammfleet, oder aus einem Tunnel oder der Börse, so ein gelb-grünes Etwas heraufschoß. Im Nu war das Ding über mir und verschwand wieder. Ich konnte gerade noch erkennen, daß es auch eine Bahn gewesen sein mußte. So ähnlich wie ich und doch ganz anders. Jedenfalls sprang zunächst einmal mein Stromabnehmer vom Draht. Junge, war das eine Aufregung! Hinter mir standen die Linien 1, 4, 5, 9, 12, 15, 17, 24, 25 und zwei Centralbahnen mit dem "Chinesendach" und schimpften. Na, sie hatten das gelb-grüne Ding ja nicht gesehen. Später habe ich mich dann an diese sogenannte Hochbahn gewöhnen müssen.

Mehr noch: Sechs Jahre nach diesem ersten, großen Schreck wurden wir alle von der neuen Hamburger Hochbahn übernommen. Zuerst habe ich das schrecklich ernst genommen. Aber als ich dann weiter fahren durfte wie vorher, dachte ich nicht mehr daran. Fahren und gefahren werden - das ist doch der einzige Unterschied im Leben, meine Herrschaften. Das habe ich mir immmer vor die Laternen gehalten.

Den ersten Weltkrieg habe ich gut überstanden. Kein Wunder - Bei meiner Konstitution! 1915 bekam ich meinen liebsten A5-Beiwagen Nr. 710. Aber für Sie waren es dunkele Zeiten. Die gute alte Centralbahn ging ein, und meine Fahrgäste benutzen weiße Fahrscheine, damit man nicht so merkte, wie trostlos alles war, glaube ich. 1921 war ich etwas kurzatmig geworden und bekam neue Motoren. Auch sonst doktorte man etwas an mir herum, aber es ist mir gut bekommen. Meine Plattformen wurden versuchsweise zugebaut. Der Wagenführer brauchte nicht mehr zu frieren und ich wurde gelb angemalt.

Zeiten waren das! Nach der Inflation bekam ich wieder eine neue Nummer. 2479 hieß ich damals, und das ist dann 20 Jahre so geblieben. 1927 kamen die da oben dahinter, daß ich nicht mehr der jüngste war und steckten mich in eine Aussenlinie. Eigentlich war es da auch ganz nett. Nur nicht so aufregend wie in der Stadt. Na, so lange hat es ja nicht gedauert, bis man wieder auf mich zurückgriff.

An dem Mittwoch vor Palmsonntag Anno 28 erinnere ich mich noch ganz genau. Ich eilte gerade mit zwei Minuten Verspätung durch die Esplanade zum Stephansplatz. Ich war Lnie 35 und fuhr mit zwei Anhängern - Nummer 710 natürlich gleich als ersten. Ich konnte nicht recht vorwärskommen, weil mir "der Ring" genau vor der Nase saß. Und das war vielleicht ganz gut so. Genau um 15.33 Unr - ich weiß es, als wäre es heute gewesen - schob sich von links her etwas 27 m Langes, etwas noch nie dagewesenes über den Stephansplatz. Ich konnte gerade noch die 36 hinter mir bitten, doch mal nachzusehen, was das gewesen ist. Als wir uns wiedertrafen, erzählte sie mir, daß es der erste V 2 T mit V 2 B gewesen sei. Ich kannte mich schon soweit aus, daß ich mit diesen Zahlen und Buchstaben etwas anfangen konnte. Das heißt ganz einfach: Ein Vieracher Triebwagen und ein Vierachser Beiwagen nach dem bis dahin vorliegenden Typ 2.

V2 (Vierachser-Triebwagen, Baujahr 1928)

Aber es gab mir doch einen Stich durch die Bremse. Schon wieder etwas neues, dachte ich und fühlte mich schrecklich alt. Viel Zeit ließ man mir allerdings nicht, trübsinnig zu werden. 1937 wurde ich nach Rothenburgsort versetzt, und während des Krieges mutete man mir schweren Dienst zu. Manchmal sah ich ich etwas heruntergekommen aus, aber es mußte auch so gehen.

Im April 1949 sah ich dann rot. Das war nach der längst fälligen Verschönerungskur. Meine Fahrgäste lachten zuerst und sagten ich sähe aus wie Rote Grütze mit Vanillesoße, aber dann haben sie sich doch schnel wieder an mich gewöhnt. Ich fuhr auf der Linie 31 nach Billstedt, und abends ich ruhte ich mich im Altonaer Schützenhof für den kommenden Tag aus. Man merkte es eben doch, glauben Sie mir das! Manchmal reißt es so in den Rädern und zieht in den Kabeln. 1951 haben sie mich deswegen klinisch untersucht. Eine Zeit lang ging es dann auch wieder. Unfall: Vordere Säule weggerissen. Bis zum 7. März 1952 als ich dem Zusammenstoß hatte. Also, das muß ich Ihnen schnell erzählen: Das kam doch von rechts... Aber wozu? Wozu noch einmal die Geschichte aufwärmen? Es hat mich Nerven genug gekostet. Bei der Reparatur beklam ich jedenfalls meine neue Nummer: 2228, die ich auch heute noch trage.Wie Sie wissen, war ich bis 1951 auf der Linie 31 eingesetzt. Auch meinen lieben Anhänger, die Sie inzwischen in Nr. 486 umgetauft hatten, zog ich wieder. Das war ein Erzählen, meine Herrschaften! "Weißt Du noch?" retterte er manchmal hinter mir, und ich nickte dann ganz vorsichtig, damit meine Fahrgäste nicht so durchgeschüttelt wurden.

Ja, das war mein Lebenslauf. Was sollen sie noch wissen? Ob ich Pläne habe? Gewiss, gewiss! Sehen Sie, ich habe seit 1895 fast 2 1/2 Millionen Kilometer abgefahren und nun hat man mir vorgerechnet, daß ich am 16. August 1966 - also zur Jahrhundetfeier der Strassenbahn - die Entfernung von der Erde zum Mond zum 7. Mal hinter mich gebracht haben werde. Und diesen Tag möchte ich doch gerne noch im Dienst erleben. Mit Girlanden und Pannkokenkapelle und Festreden und so. Danach werde ich mich gerne pensionieren lassen.

Anno 1946

Fast eine Gardinenpredigt -
Hoffentlich nicht in die Luft gesprochen

  Nach oben

Von einem Straßenbahnwagen

Meine Damen und Herren, ihr Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer,
mit einem Wort
- ihr Verkehrsteilnehmer!

Wir haben etliche ernste Worte miteinander zu reden. Ich alte Straßenbahn erlaube mir diese Ansprache selbst in Ihre Feststimmung hinein, weil ich aus Erfahrung weiß, daß sonst sowieso niemand zuhört, wenn ich etwas sage, und weil ich ein wenig enttäuscht darüber bin, daß so selten jemand etwas für mich sagt. Als mein Anwalt sozusagen, dessen Sprache Sie besser verstehen als meine. Und endlich: Ich spreche zu Ihnen, weil ich mir einbilde, daß ich bei diesem Fest die Hauptperson bin und Sie deshalb schon aus Höflichkeit zuhören müssen. Und - verzeihen Sie meinen Optimismus - ich glaube auch, daß meine Worte nicht ganz ohne Eindruck bleiben werden. Woher ich diese Sicherheit nehme? fragen Sie. Man hat als Straßenbahn so seine Erfahrungen.

Da habe ich zum Beispiel im Februar auf dem Jungfernstieg mit einem Autofahrer ziemlich deutlich geredet. Er hatte seinen Wagen so geschickt auf meine Gleise gesetzt, daß ich ruckartig bremsen mußte. Mir macht das weiter nichts aus, aber meine Fahrgäste haben das nicht so gern. Ich blieb also stehen und sagte: "So, das ist nochmal gut gegangen. Und jetzt, lieber Freund, merke ich mir deine Nummer und gebe sie an den nächsten Verkehrsschutzmann, mit dem ich micht gut verstehe. Es sei denn", so sagte ich, "du gehst jetzt in Dich und dann in mich hinein und entschuldigst dich bei meinen Fahrgästen." Zuerst hat er sich ein bißchen geträubt, aber das mit dem Verkehrsschutzmann hat ihm imponiert. Jedenfalls stieg er in meinen Triebwagen ein, ließ sich das Mikrofon geben und hat sich dann wirklichnett entschuldigt. Als er dann noch eine alte, na ältere Dame in seinem Wagen mithahm, weil sie sich seinetwegen gestoßen hatte, war ich so gut wie versöhnt. Man kann also doch mit den Menschen reden, dachte ich, und deshalb versuche ich es jetzt auch mit Ihnen.

Sie haben inzwischen natürlich längst herausgehört, was ich von Ihnen will, Ihr Bestes will ich, denn sonst haben Straßenbahnen gar keine Berechtigung, so viel und so lange zu sprechen. Sie haben zu rollen, auf das rechte Gleis zu achten und hübsch bescheiden zu sein. Na, darüber möchte ich auch noch etwas sagen. Später. Wie meinen Sie? Sie wissen immer ganz genau, was das Beste für Sie ist? Oh, sagen Sie das nicht! Mir ist da ein Fall passiert... Mein Fahrer mußte mal wieder scharf bremsen. Diesmal lief mir ein Schauspieler gestikulierend und memorierend vor die Rammbügel. Und diesmal ging es nicht so glimpflich ab. Eine Frau war in meinem Mittelgang so heftig gestürzt, daß ein Krankenhausaufenthalt fällig war.

Wir haben dem Schauspieler das alles geschrieben. Eine Rechnung üner 600.- Mark Arztkosten und die Bescheinigung des Arbeitgebers haben wir mit in den Brief gesteckt. Aber bezahlen wollte der Schauspieler nicht. Kein Wunder; wenn man so geistesabwesend über die Straße läuft, kann man garnicht begreifen, daß man an einem Unfall Schuld hat. Gut haben wir ihm gesagt, aber wenn Sie unser Fahrer das nächste Mal überfährt, dann beschweren Sie sich nicht - falls Sie das dann noch können. Da hat er es endlich begriffen, daß er für 600.- Mark Krankenhauskosten sein Leben gerettet hatte. Sogar Blumen hat er der Frau mitgebracht, hörte ich später. Aber glauben Sie ja nur nicht, daß alle Verkehrssünder so schnell zur Vernunft kämen. "Natürlich wieder die Straßenbahn", sagen sie, wenn sie noch in letzter Sekunde aufspringen wollen oder auf meinen Gleisen stehenblieben oder in den fahrenden Zug hineinliefen. Sachen lese ich da manchmal, wenn ich meinen Freund, den Zeitungsverkäufer vom Gänsemarkt, über die Schulter sehe.

Halt, nicht die Seiten überschlagen! Wir haben noch weiter miteinander zu reden! Ich will mir nicht immer die Schuld geben lassen, wenn irgendwo eine Umleitung ist, wenn die Fahrgäste schwerverletzt in das Krankenhaus gebracht werden müssen. Ich wünsche ein bisschen mehr Rücksicht von Ihnen, ich wünsche... Aber ich sehe schon, Sie mögen keinde Gardinenpredigten. Gut. Dann will ich wenigstens versuchen, noch etwas für meinen Ruf zu tun. Sehen Sie, ich erlebe es immer wieder, daß Sie die Nase über mich rümpfen, wenn Sie Autofahrer sind. Ich sei ein Verkehrshindernis, sagen Sie, und man mußte mich so schnell wie möglich durch den Omnibus ersetzen. Wahlverwandtschaften sagt man wohl dazu, wenn Sie so für Ihren größeren Bruder eintreten. Zugestanden - ich habe gar nichts gegen meinen Kollegen, der - wie Sie wissen - auch zu meiner Familie gehört. Aber Sie können doch rechnen, ja? Stellen Sie sich mal die Mönckbergstrasse vor. Da befördern wir Straßenbahnwagen in der Hauptverkehrszeit mit etwa acht Zügen in fünf Minuten in einer Richtung 1500 bis 1600 Personen. Das ist genau die Zahl, die man auf 14 Omnibusse verteilen müßte. Also, alle 14 Sekunden würde ein Omnibus an der Straßenrand heranfahren, dort an der Haltestelle mindestens 15 Sekunden warten - also in eine ununterbrochene Kette von Fahrzeugen geraten - und damit doch die Monckebergstraße mehr verstopfen, als ich es kann. Oder? An mir kommen Sie immer noch besser vorbei, weil ich an meine Schiene gebunden bin. Ich würde beispielsweise meinen Fahrgästen auch nie erlauben, mich eine Stunde irgendwo vor einer Konditorei oder vor dem Theater stehen zu lassen. Ich weiß ja, Parkplätze sind knapp in der Hamburger Innenstadt. Aber warum ich ausgerechnet die Schuld haben soll, wenn Sie an den vielen Autos nicht vorbeikommen, die auf der Straße stehen, das sehe ich wirklich nicht ein.

Ich möchte Ihnen noch so viel sagen, aber jetzt hören Sie mir wirklich nicht mehr zu, ich weiß. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich meinem Ärger Luft mache. Ich komme so selten dazu. Und schließlich bin ich ja auch etwas wert. Ich und all die Anlagen, die für mich gebaut wurden. Genau: 70 Millionen Mark. Wenn Sie mich abschaffen wollen, können Sie das Geld getrost wegwerfen. Und denken Sie bitte auch daran, daß ich bisher einiges getan habe, um Sie zufriedenzustellen. Viele meiner Schwestern sind schon über 50 Jahre alt, und nun erzählen Sie mir mal, ob Sie in einen so alten Omnibus steigen möchten. Na also! Ich sehe schon, wir verstehen uns doch noch. Ich bin schlließlich auch nicht unbelehrbar. Das wird man Ihnen schon an anderer Stelle in diesem Buch sagen.

So, nun ist mir wohler. Ich mußte mir das alles einmal von den Oberleitungen reden. Und Sie würden mir ganz persönlich einen Gefallen tun, wenn Sie nicht alles wieder so schnell vergessen.


Die Zukunft der Strassenbahn - liegt unter der Erde

  Nach oben

Darf ich alte Straßenbahn noch einmal ums Wort bitten? Ich weiß, daß viele von Ihnen, verehrte Leser, mich kurzerhand abschafen wollen; denn ich sei, so sagt man, der Hauptstörenfried im Verkehrsgedränge der Großstadt. Einige von Ihnen schlagen den Austausch mit Omnibussen vor. Ich habe nichts gegen Omnibusse und weiß auch, das sie in vielen Fällen bevorzugt werden. Aber wenn Sie meine immerhin nicht wertlosen Anlagen einfach aufgeben und sich mit rieseigen Summen auf ein neues Verkehrsexperiment in den engen Straßen zwischen Dammtor und Deichtor einlassen, dann werden sie leider bald feststellen, daß Ihr großer Wunsch für einen fließenden Durchgangsverkehr so nicht erfüllt werden kann. Glauben Sie nicht auch, daß wir über dieses Problem einmal sachlich miteinander diskutieren sollten? Ich und alle meine Kollegen, die sich öffentliche Verkehrsmittel nennen, befördern über 80 v. H. all derer, die einen Berufs-, Besuchs- oder sonstigen Reiseziel in den Stadt- und Bezirkszentren zustreben. Danach sollte man uns gerechterweise vor dem Rest der Verkehrsteilnehmer einen entsprechenden Vorrang geben.

Noch vor 20 Jahren hätte man ein solches Gespräch garnicht geführt. Aber seitdem haben viele meiner damaligen Fahrgäste sich Autos gekauft und nun wollen sie nichts mehrvon mir und all den vielen wissen, die noch auf mich angewiesen sind.

Das für alle Teile billigste Mittel, dieses Dilemma zu lösen, wäre ein Ring von Parkplätzen um die Innenstadt. von dort können alle Pkw.-Besitzer mit meinen Großraumkollegen weiterfahren. Sie könnten ja pro Parkplatz einen Sonderwagen (Bus oder Straßenbahn) mit entsprechendem Komfort und Fahrpreis erhalten. Doch würde dann für 60 Personen in nunmehr einem Fahrzeug nir noch ein Achtel oder ein Zehntel der vorher benötigten Strassenfläche für die weitere Beförderung in Anspruch genommen werden. Wenn das nämlich so weitergeht, wie z.B. in Amerika, daß schließlich jeder sechste oder sogar

jeder vierte einen eigenen Wagen besitzt und schnell an sein Zeil kommen möchte, dann gibt es, je näher man zum Rathaismarkt kommt, eine Grenze des Verkehrsmöglichen. Und an dieser Grenze muß die Entscheidung fallen, wie die Millionen Menschen, die schnell und sicher weiter zum Kern der Stadt gelangen möchten, befördert werden sollen. Wie gesagt, wenn der Pkw.-Fahrer - zumindest zu bestimmten Tageszeiten - die Innenstadt (vorallem durch Parkverzicht in den Hauptverkehrsstraßen) freigibt, dann könnte auf verhältnismaßig einfache Weise das Problem gelöst werden.

Aber ich befürchte, daß die Kritik trotzem mich, den alten Strassenbahnwagen, als Stein des Anstoßtes Verdammen wird. Wenn man mich und meiner Mehrheitsansprüche eines Tages überstimmt, dann werde ich - doch das wird sehr viel Geld kosten - die Strasse verlassen und meinen Weg unter ihr suchen. Immerhin brauche ich Ihnen wohl kaum zu beweisen, daß ein Zug auf Schienen - vor allem, wenn die Strecke nicht von anderem Verkehr beeinträchtingt wird - die zahlenmäßig größte, schnellste und sicherste Beförderungsleistung zu vollbringen vermag. Bei der U-Bahn oder einer sonstigen Schnellbahn sind ja diese Voraussetzungen gegeben. Und wenn man mir dieselben gesonderten Fahrbahnanlagen zubilligt, dann könnte ich noch allerlei Respektabeles für den öffentlichen Personenverkehr leisten. Hier in der Innenstadt Hamburgs werde ich an absehbarer Zeit wohl teilweise meinen Schienenbruder, der U-Bahn, weichen. Da will ich "Unterpflasterbahn" keine Konkurrenz machen. In an deren Städten wird man die Linien, die durch das Zentrum führen, auf einige hundert oder tausend Meter Länge in eine zweite Etage nach unten versetzen. Wenn man uns dann noch, wie schon erbeten, auf den freien Aussenstrecken, nur uns zustehendes Verkehrsbett genehmigt, dann werden wir Sie noch manche Jahrzehte auf Ihrem Lebensweg schnell voranbringen dürfen.

Bedenken Sie immer, wie alt so ein Straßenbahnwagen bei guter Pflege werden kann, und das er sich immer etwas billiger erweist als die hochgeschätzen schienenlosen Verkehrskollegen. Es ist namlich genau ausgerechnet: Stahl auf Stahl rollt mit dem gerinsten Fahrwiederstand. Das ist aber wichtig für den Fahrpreis - und auf den kommt es ja letztenendes an.

Eine vollausgebaute Strassenbahnkreuzung in den 50er Jahren

Ach ja, zum Schluß noch ein kleines Schmankerl. Oder eine aktuelle Beschreibung der Linie 5??? Naja, für die Strassenbahn nicht ganz so schmeichelhaft.